Verkünstelt sich Gifhorn beim Wasserstoffprojekt Ausbüttel?
Das komplizierte Strom-Wärme-Konzept lässt weiter auf sich warten.
Christian Franz
Ausbüttel Die Idee eines Wasserstoff-Energiespeichers für das kreiseigene Abfallwirtschaftszentrum Ausbüttel wird bald drei Jahre alt. Der Projektantrag beim Bundesumweltministerium datiert von Oktober 2020. Der Betrieb der mindestens 1,3 Millionen Euro teuren Anlage lässt weiter auf sich warten. In der Zwischenzeitlich wurde der Energieträger Wasserstoff für die Industrie und teilweise zum Heizen ein Standardverfahren, während sich er Einsatz im Verkehr als unwirtschaftlich erweist.
Der Abfallentsorger Remondis hat Versuche mit Wasserstoff-Müllfahrzeugen beendet. Erste Wasserstoff-Tankstellen schließen. Autohersteller konzentrieren sich auf Batteriefahrzeuge. Doch der Landkreis Gifhorn will weiterhin mit Ausbütteler Wasserstoff Autos fahren lassen.
Die Wasserstoff-Energiezentrale im Abfallwirtschaftszentrum Ausbüttel lässt weiter auf sich warten. Christian Franz FMN
Grundsätzliches Ziel der Verwaltung ist es, das Abfallwirtschaftszentrum energieautark zu betreiben, was mit dem Wasserstoffkonzept in der Theorie zu 90 Prozent gelingt. Das Gas, im Elektrolyseur durch Abspaltung von Sauerstoff aus Wasser erzeugt, dient als Energiespeicher.
Die eigentliche Energie liefern Photovoltaikmodule auf den Hallendächern, pro Jahr rund 215.000 Kilowattstunden Sonnenstrom. Etwa die Hälfte davon fließt ins öffentliche Stromnetz. 115.000 Kilowattstunden dienen der Eigenversorgung mit Strom und Wärme - ganzjährig zu 90 Prozent.
Allerdings heizt der Kreis die Hallen nicht mit Wasserstoff. Vielmehr wird das erzeugte Gas bei Bedarf in Brennstoffzellen wieder zu Wasser gewandelt, um Strom zu gewinnen. Zusätzlich soll die hierbei entstehende Abwärme teilweise genutzt werden, kombiniert auch noch mit Geothermie aus tieferen Bodenschichten. Heizen direkt mit Strom? Funktioniert andernorts mittlerweile standardmäßig mit Luftwärmepumpen, wiederum kombiniert mit Photovoltaikanlagen.
Rund 480 Kilo Wasserstoff bleiben laut Konzept in Ausbüttel übrig, um damit ein Wasserstoffauto knapp 50.000 Kilometer im Jahr fahren zu lassen. Solche Autos bieten Hersteller kaum an.
Für das Vorhaben erhält der Kreis rund 25 Prozent Bundesförderung zu der Investition. Der Betrieb ist laut Projektkalkulation, abhängig von Vergleichspreisen anderer Energieträger, pro Jahr bis zu 10.500 Euro teurer.
Hält der Landkreis dennoch an dem komplizierten Modell mit Photovoltaik, Elektrolyseur, Gasspeicher, Brennstoffzelle und Geothermie fest? Und was verspricht er sich davon? „Alle Bestandteile sind in der Praxis erprobt und somit etabliert. Neu ist die Kombination all dieser Bestandteile an einem Standort und die dazu elementare steuerungstechnische Umsetzung“, erklärt Kreis-Sprecherin Friederike Herlemann. „Im Abfallwirtschaftszentrum stellt die Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse nur einen Teilschritt eines innovativen Systems dar, welches nach aktuellem Kenntnisstand in dieser komplexen Form noch an keinem anderem Ort umgesetzt wurde.“
Die Projektgröße sei „sinnvoll und erforderlich, um einen gesamtenergetischen Autarkiegrad mit Wärme und Strom über 90 Prozent zu erreichen“.
Einfachere Ansätze ohne doppelte Umwandlung der Energieform vom Strom in Wasserstoff und zurück kommen aus Sicht der Kreisverwaltung nicht in Frage, bekräftigt Herlemann: „Der Landkreis Gifhorn ist mit diesem Projekt wesentlicher Projektpartner in einem nationalen Verbundvorhaben. Die Maßnahme wird wissenschaftlich begleitet, um Erkenntnisse zur Übertragung auf weitere Anwendungsfälle erzielen zu können.“
29.07.2023, Gifhorner Rundschau