Landfrau, Sportlerin, Gärtnerin – jetzt Jubilarin
Am heutigen Montag feiert Luise Jäger aus Vollbüttel ihren 100. Geburtstag.
Reiner Silberstein
Vollbüttel Als Luise Jäger aus Vollbüttel am 27. Juli 1920 das Licht der Welt erblickte, hatte die Weimarer Republik gerade ihre erste reguläre Reichstagswahl hinter sich, erholte sich vom Kapp-Putsch und hatte Preußen erst die Standesvorrechte des Adels abgeschafft. Am heutigen Montag feiert die lebenslustige Frau ihren 100. Geburtstag.
An die frühen politischen Ereignisse während der 1920er Jahre kann sich die Jubilarin natürlich nicht mehr erinnern. Aber: „Ich hatte eine sehr schöne Kindheit.“ Sie wuchs wohlbehütet als das fünfte Kind der Familie Thölke in Ahnsen auf. „Mein Vater war Bahnbeamter an der Strecke Hannover-Berlin.“ Ihre Geschwister waren viel älter als sie, was den Vorteil mit sich gebracht habe, dass sie stets die größten Geschenke bekam.
Luise Jäger aus Vollbüttel feiert heute ihren 100. Geburtstag. Reiner Silberstein BZV
1927 ging sie zur Schule ihres Dorfs. „Wir hatten zwei Lehrer, einen strengen und einen nicht so strengen. Der Unterricht war anders als heute“ – zwei Stunden vormittags im Sommer, vier im Winter. Alles war auf die Landwirtschaft ausgerichtet. Vor allem das Jahr 1936 blieb Luise im Gedächtnis: „Wir standen Spalier an der Hauptstraße, als die Olympiafahne nach Berlin getragen wurde.“ In der Schule lernte sie auch ihre beste Freundin kennen: Lieschen Witt. „Sie war für mich wie eine Schwester“ – bis zu ihrem Tod vor fünf Jahren.
Drei Jahre arbeitete Jäger in der Ahnser Gastwirtschaft, dann fünf Jahre lang in einem Hannoveranischen Haushalt. Sie hatte Glück: Bevor dort immer wieder Weltkriegsbomben einschlugen, kam sie zurück nach Ahnsen, arbeitete im Büro des Bürgermeisters.
Das Jahr 1951 veränderte ihr Leben: Bei einer Feier ihrer Cousins in Ahnsen traf sie auf Albert Jäger aus Vollbüttel. Sie verliebten sich, heirateten im Jahr darauf, zogen auf seinen Hof (wo sie heute noch lebt) und bekamen 1953 Sohn Albert junior. Die Umstellung auf Landwirtschaft mit Schweinen, Pferden, Hühnern, Hunden und Katzen fiel ihr nicht schwer: „Ich war ja auf dem Land groß geworden. Am liebsten waren mir die Kühe, die gaben die Milch.“
Klar, als Landwirte gab es nicht viel Urlaub, nur einmal zur Silberhochzeit war der Harz das Ziel. Sonst unternahm Luise Reisen stets ohne ihren beiden Alberts – dafür mit den Landfrauen. Das Paar war aber sonst im ganzen Dorfleben fest integriert, die Jubilarin vor allem im Sportverein: „Ich habe mein ganzes Leben Sport gemacht, bis über 80.“ Die Gymnastiksparte war die ihre. Mit ihrem Mann, der 1999 starb, ist sie aber auch immer nach Gifhorn zum Schwimmen gefahren. Wie man sich über Wasser hält, hatte sie einst als Kind in der Oker gelernt.
Heute verbringt sie gern viel Zeit im Garten und zupft mal hier und dort das Unkraut, sofern es die Kräfte zulassen. Abwehrkräfte hat sie jedenfalls reichlich, Krankheiten habe sie selten gehabt, sagt Jäger und stellt Vermutungen an, woran das liegt: „Wir haben einen großen Obstgarten.“ Sonst sind Bücher, Rätsel und das Kartenspiel ihre Hobbys. Auch den Haushalt bewältigt teils noch allein.
Die Feier mit Freunden, Nachbarn, Neffen, Nichten und Bürgermeister am Montag – Corona-bedingt an Zehnertischen in einem Saal – organisieren Sohn Albert junior, Schwiegertochter Birgit und Enkelsohn Jan. „Ich weiß von nichts!“, sagt sie mit einem Augenzwinkern, „aber ich freue mich sehr darauf.“ Seit Wochen schon sei sie aufgeregt. Besondere Wünsche habe sie aber nicht – „ich bin wunschlos glücklich“ – außer Gesundheit und Gottes Segen. Das ist auch das Motto der Einladungen.
GR 27.07.2020