Kinomuseum Vollbüttel arbeitet an einem digitalen 360-Grad-Rundgang
Derzeitiger Internetauftritt der Einrichtung ist rund 20 Jahre alt – Auch ein Audioguide für Smartphones ist in Arbeit
Von Ron Niebuhr
Vollbüttel. Das Kinomuseum in Vollbüttel steuert auf das wohl größte Update in seiner bewegten Geschichte zu: einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellungsräume und einen Audioguide für Smartphones! Fördermittel des Lüneburgischen Landschaftsverbandes und der Bundessozialstiftung haben das innovative Projekt ermöglicht, das Anfang 2021 online gehen soll.
Die Pandemie hat das Kinomuseum schwer getroffen. „Wir hatten in dieser Saison genau neun Besucher“, sagte Peter Schade-Didschies. Mehr war nicht zu verantworten für den Museumsleiter und sein Team: „Wir wollten kein Risiko eingehen, haben uns streng an die Regeln gehalten“, betonte er. Schlagzeilen als Hotspot und Superspreader-Event wollte man mit dem Museum und seinem Freiluftkino als Zugpferd unbedingt vermeiden. Daher schränkte man den Publikumsverkehr stark ein, verzichtete auf Freiluftkino und acht weitere geplante Veranstaltungen. Das wirkte sich negativ auf die Kassenlage aus. Daher sei man dem Lüneburgischen Landesverband für 3500 Euro Soforthilfe dankbar, hob Schade-Didschies hervor.
Bei der Bundessozialstiftung gelang es, einen zweckgebundenen Zuschuss einzuwerben in Höhe von 25 000 Euro. Damit ist es dem Kinomuseum möglich, seinen Internetauftritt professionell modernisieren und einen Smartphone-Audioguide für Museumsbesucher realisieren zu lassen. An Bord geholt haben Schade-Didschies sowie seine Vorstandskollegen Bernd Riechers und Wolfgang Graewert dafür die Peiner Firma Lightvision.
Neuer Internetauftritt: Jonas Tittelmeier führt Peter Schade-Didschies den virtuellen 360-Grad-Rundgang durchs Kinomuseum vor.fotos (3): Ron Niebuhr
Den Audioguide konzipieren die Profis von Lightvision so, dass er für die Museumsbesucher per QR-Code abrufbar ist. „Dann müssen wir keine Geräte bereitstellen und sie auch nicht desinfizieren und warten“, sagte Schade-Didschies. Pandemietauglich ist auch der neue virtuelle Rundgang. Bei dem erleben Interessierte das Kinomuseum bequem von zuhause aus. Sie können sich per Mausklick durch die Ausstellung bewegen. „40 Objekte sind zum Start anwählbar“, sagte Riechers. Die erklärenden Texte hat Museumsleiter Schade-Didschies verfasst, einsprechen mochte er sie aber nicht selbst: „Das überlasse ich Profis. Ich bin weder Sprecher noch Schauspieler. Ich stand 36 Jahre hinter der Kamera. Da habe ich mich immer wohler gefühlt“, sagte er.
Der bisherige Internetauftritt hat schon mehr als 20 Jahre aus dem Buckel. Die rundum neu gestaltete Internetseite, für die ein neuer Provider gefunden werden musste, soll das Kinomuseum zeitgemäß präsentieren. Der virtuelle 360-Grad Rundgang als Kernstück soll Lust auf einen realen Besuch in Vollbüttel wecken, sobald es die Coronalage zulässt. Bis dahin können Freunde des Museums online in Erinnerungen an zurückliegende Events schwelgen und Neulinge einen Eindruck gewinnen, was das Museum über die Ausstellungsräume hinaus zu bieten hat. „Wir stellen nämlich auch selbst gedrehte Filme unserer Veranstaltungen auf die Seite“, sagte Schade-Didschies. Zum Beispiel Aufnahmen aufwendig selbst erstellter Kulissen, etwa der Rathausturmuhr aus „Zurück in die Zukunft“, der Eisenbahn aus „Manche mögen’s heiß“ oder eines Goldclaims aus „Winnetou“.
Zu hören ist online künftig auch der Mitschnitt der 20-minütigen Neujahrsrede zum Jahreswechsel 1954/55 des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss. „Er spricht über den Egoismus der Menschen – und ist damit heute wieder erschreckend aktuell“, sagte Schade-Didschies. Aufgenommen wurde die Rede vor mehr als 60 Jahren mit einem Tonbandgerät der Marke Eigenbau, das nun im Besitz des Museums ist: „Es nähert sich vom Gewicht her einem Zentner an“, schätzte der Museumsleiter. Besonders spannend sei das beiliegende „Riesenkonvolut“ von Tonbändern, unter anderem der Mitschnitt der ersten Verbrecherfahndung per Rundfunk in Deutschland und eine Aufnahme von Ella Fitzgeralds Gastspiel in Hamburg. „Da steckt sehr viel Potenzial drin“, freute sich Schade-Didschies darauf, alle Bänder mindestens ein Mal anzuhören.
Der neue Internetauftritt ist nahezu fertig. Anfang Januar soll er online gehen – auch für Smartphones. „Unsere alten Internetseiten sind darüber nicht aufrufbar. Sie werden falsch dargestellt“, sagte Graewert. Offline ist der Saisonstart des Kinomuseums dagegen für März vorgesehen, sofern die Pandemie nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht.
AZ 29.12.2020